1. Rundbrief aus Bolkow

März 2017

 

Angekommen!

 

 

 

Josefus und Maria Zuchantke

 

GOLDTAU. Fundacja Złota Rosa

 

ul. Kościuszki 11

 

59-420 Bolków

 

 

 

Nach einigen Jahren der inneren und äußeren Suche haben wir endlich unseren Platz in Niederschlesien gefunden!

 

 

 

2010 nach Niederschlesien gekommen, hatten wir in den ersten Jahren versucht, uns unseren Platz im „Lichttal“ in Figlow aufzubauen. Als dies nicht gelang, durchlebten wir eine 4-jährige Atempause mit Neuorientierungen in verschiedene Richtungen. Alles war getragen von der zunächst noch unklaren Idee nach einem „wirklichen Neuanfang“. Dabei lebten wir in unserer Wohnung in Stare Bogaczowice wirklich komfortabel, hatten aber keinen wirklichen Raum für eine „Arbeit im Außen“.

 

 

 

Ein Freund erzählte von einem Haus mit Garten in Bolkow, das zum Verkauf angeboten sei. Die Hausidee, insbesondere nach einer intensiven Besichtigung, begeisterte uns sehr, aber an einen Kauf war nicht zu denken. Nur wenige Tage vor unserer endgültigen Absage erbot sich völlig unverhofft ein lieber Freund, das Haus zu kaufen und es zu unseren Bedingungen an uns zu vermieten.

 

 

 

Während wir dies erzählen, wirkt alles immer noch wie ein Märchen. Aber kurz und gut, nun wohnen wir seit dem 1. März in dieser alten deutschen Villa aus den 20-er Jahren im Villenviertel oberhalb von Bolkow und erfreuen uns täglich an der fast schon orientalisch anmutenden Stadtsilhouette von Bolkow.

 

 

 

In nur 3½ Wochen wurde der 1. Stock für unsere familiären Wohnzwecke konzipiert und umgebaut – insbesondere Bad und Küche.

 

 

 

Dies haben wir einzig einer Zuwendung eines alten Berliner Freundes zu danken. Und das besonders Beglückende ist: Wir sind alles andere als allein. Die Bauarbeiten wurden von uns selbst, einem guten Berliner Freund, einem polnischen Alleskönner und unseren Volontären aus England und Mexiko realisiert. Und immer wieder geschehen kleine Wunder, bieten unerwartet Menschen ihre Hilfe an.

 

 

 

Natürlich warten noch weitere Bauabschnitte auf ihre Realisierung. Im nächsten Schritt soll das Parterre so eingerichtet und umgebaut werden, dass dort die Arbeiten unserer neu gegründeten Stiftung GOLDTAU stattfinden können. Maria arbeitet intensiv an der Vorbereitung unserer „Gruppen-Home-Schooling“-Initiative. Möglichst zeitnah sollen auch Gäste- und Praktikantenzimmer entstehen. Als ein weiterer Bauabschnitt ist auch der Ausbau eines Labors auf dem Dachboden für alle Arbeiten mit den Lichttal-Produkten geplant. Und ganz am Ende steht auch noch der Ausbau einer kleinen Einliegerwohnung auf unserer Agenda.

 

 

 

Durch unsere neu gegründete Stiftung, die seit dem 1.3. 2017 im Gerichtsregister in Breslau unter der KRS Nummer 0000666125 eingetragen und damit arbeitsfähig ist, wollen wir unsere gesamte Arbeit auf ein rechtliches Fundament stellen. Dadurch wird es in Zukunft auch möglich sein, diverse Fördergelder zu beantragen.

 

 

 

Guter Dinge und in staunender Dankbarkeit sehen wir dem nahenden Frühling entgegen. Es gibt viel, viel zu tun. Wer mitmachen will, ist herzlichst eingeladen!

 

 

 

 

Josefus und Maria

 

mit den tapferen Kindern :)                                                                                                                                           23. März 2017

 

 

 

2. Rundbrief

 

Erster  Bericht Freie LebensSchule Bolków

 

30. September 2019

 

 

Gestern war Michaeli. Von einem Tag zum andern  ist das Wetter umgeschlagen. Es ist immer noch sehr warm, aber Sturm und Regen kreuzen das Land, und die ersten Bäume färben sich gelb.

 

Gestern gingen die ersten zwei Schulwochen in diesem Schuljahr zu Ende. Wir sind übervoll mit Erinnerungen, Ideen, Gedanken, auch sorgenden, um die Kinder – aber vor allem sind wir voller Dankbarkeit an alle Wesen, die dazu beigetragen haben, dass dies sein durfte.

 

Julia, achte Klasse, zum ersten Mal Homeschooling: In meiner alten Schule habe ich nichts von Mathe kapiert. Hier verstehe ich alles!

 

Tara, sechste Klasse: Maria zeigt uns die Magie in der Welt.

 

Malika, fünfte Klasse, zum ersten Mal  Homeschooling, musikalisch begabt, Geigenschülerin in der Musikschule. Während der Schulwoche wurde sie zur Geigenstunde abgeholt. Die Geigenlehrerin: Noch nie hat Malika so schön gespielt. Sie war so offen, so frei und fröhlich.

 

Kavya, erste Klasse, zur Mutter: Was? Drei Wochen soll ich jetzt warten, bis ich da wieder hin kann?

 

Ziomek, fünfte Klasse: The best school ever.

 

Wiktor, siebte Klasse, zum ersten Mal Homeschooling, das letzte halbe Jahr nicht zur Schule gegangen und deshalb sitzen geblieben, bittet seine Mutter darum, auch weitere Schulbücher nach Hause mitnehmen zu dürfen (sie sollten jetzt nur Mathe und Geo mitnehmen, weil wir in Epochen arbeiten), denn er will schon mal reinlesen…

 

Das schreiben wir hier, um unsere Dankbarkeit auszudrücken, nicht um uns zu loben. Denn selbstverständlich sind auch andere Dinge passiert, gibt es Ratlosigkeit und Wegesuchen, Streit und so weiter.

 

Da sind zwei seit drei Jahren adoptierte Fünftklässler. Zuzia kann absolut nicht rechnen. Maks nässt nachts ein. Da ist Kuba aus der dritten, der genial zeichnen und rechnen kann, eine Methode fürs Einmaleins entwickelt hat, stundenlang am Klavier unsere Lieder übt, spindeldürr, greisenhaft, dabei wild und ohne Form im Sozialen und im Leben.

 

Dann die Alteingesessenen aus der Sechsten, die sämtliche Ferienlager bei uns seit zwei Jahren und die fünfte Klasse mitgemacht haben und ihre Freiheit so sehr ausnutzten und über die Stränge schlugen, dass das ganze Projekt auf dem Spiel stand. Wir haben den Eindruck, dass Gegenkräfte die ganze Zeit versuchen, den Impuls zu stoppen, auf verschiedenste Weise.  Dem Himmel sei Dank, dass die offenen und tiefen  Gespräche mit allen Kindern und Eltern zu einer größeren und wacheren Gemeinschaft geführt haben.

 

Wir haben in diesem Jahr 7 Kinder fünfte Klasse, 1  Kind dritte, 3 Kinder erste, 1 Kind vierte  - das ist eine Gruppe.

 

5  Kinder sechste Klasse, 1 in der siebten, 1 in der achten – das ist die zweite Gruppe.

 

Wenn es echte Probleme gibt, so wie oben geschildert, berufen wir einen SEJM mit den Kindern ein. Das ist eine polnische Ratsversammlung, die ihren Ursprung vor 400 Jahren genommen hat, als in Polen – weit vor allen anderen europäischen Ländern – das Liberum Veto eingeführt wurde. Dieses anstrengende Recht führt, wenn reife Menschen gut damit umgehen, zu etwas Höherem als Demokratie: zur Einstimmigkeit…

 

Die Kinder empfinden es als sehr nervig, aber machen mit. Jede Stimme wird ernst genommen. Und die Entscheidungen werden von allen mitgetragen. Man versteht einander mehr, wenn man den anderen wirklich gehört hat.

 

Etwas zum Tagesplan: Morgens wecken wir mit Klavierspiel. Dann gehen wir raus in den Garten, den Tag begrüßen mit I-A-O, einem indianischen Lied (Mother, I feel you under my feet..) und einem Stampftanz. Dann sollen sich alle kaltes Wasser ins Gesicht schütten. Dann gibt es Frühstück. Danach gehen wir wieder raus und machen eine Mischung aus Eurythmie und Gymnastik. Gott sei Dank war das Wetter grandios, im Winter und bei Regen wird es bisschen eng im Haus!

 

 

 

 

Dann Formenzeichnen, dann halbe Stunde Pause, dann Mathe. Wieder Pause, noch mal Mathe. Mittag, Pause. In den Pausen sitzt immer wer am Klavier, andere toben draußen, letztens haben die Älteren eine Hindernisbahn gebaut mit Kraftübungen, das ging durch den ganzen Garten. In der Küche herrschte in einer Woche unsere liebe Freundin aus Berlin, in der zweiten unser ältester Sohn Pavel.

 

 

 

Weiter mit Aquarellmalen,  Pause, Geografie, Pause, Singen (Kanons, Jahreszeitenlieder, viel Englisch).

 

  

 

 Abendbrot, Pause, Abendgeschichte. In der fünften ist Heinrich Schliemann und Troja, in der sechsten bis achten war Milon und der Löwe von Jakob Streit, im Oktober  kommt Wulfila. Die Kleinen hatten die Kinder aus Bullerbü. Aber im Oktober wird die Gruppe auch geteilt zum Erzählen, und dann bekommen die Erstklässler ihre Märchen. Im Oktober kommt auch Biologie hinzu. Die genannten Fächer werden im Januar geprüft, danach gehen wir an die humanistischen. Jedes Kind ab fünfte Klasse hat jetzt aktuell als Hausaufgabe die Vorbereitung einer Präsentation in Geografie mitgenommen. Reisen durch die Welt – der eine in der Tundra, der andere in der Savanne, andere wiederum in Amazonien oder in London – sie sollen es schildern, als wären sie dort gewesen.

 

 

Mit den Großen waren wir im Vulkanzentrum für Kinder, und dann stiegen  wir auf einen erloschenen Vulkan. Wir wohnen nämlich im Land der erloschenen Vulkane (20km von Bolkow). Manchmal hat man Glück, und ein paar von den in der Staatsprüfung verlangten Themen passen menschenkundlich zum Alter (Mineralogie).

 

   

 

Immer wieder erschrecken wir darüber, was die Kinder schon wissen. Die Erstklässlerin weiß, dass Hitler ein Böser war, der viele umgebracht hat. Alle haben die einschlägigen Filme gesehen, mit all den Teufelsfratzen und mit Vampiren. Drittklässler rappen und so weiter… wie das eben heute so ist. Manche haben es deshalb natürlich schwer, in unsere farbigen, zarten Prozesse einzutauchen. Sie wissen auch erst nicht, worum es geht, wenn wir vor dem Essen uns an die Hände nehmen und Sprüche sagen, wenn wir Stille einfordern (es gibt so ein Ritual, das heißt bei uns: guter Beginn. Wir sind einfach nur still und öffnen uns für das, was kommt. Und dann beginnt der Spruch oder das Lied oder die Geschichte.

 

Aber alle entdecken etwas, und alle sind begeistert und wollen wiederkommen. Und es ist immer wieder aufs Neue schön zu erleben, wenn sich dann nach einigen Tagen ein WIR bildet. Plötzlich ist es da, etwas, das mehr ist als die Einzelnen. Ein Wesen.

 

Wir suchen jetzt dringend Mitarbeiter. Die, die kommen sollten, haben abgesagt. Von Oktober bis Dezember haben wir zwei Volontäre, eine Frau aus Österreich und einen Mann aus Polen. Im Oktober wird Goran, ein Bothmer-Gymnastik-Lehrer aus Schweden, die ganze Woche da sein! Das hat eine Schülermutter organisiert, die selbst Bothmer in Polen studiert!

 

Im Dezember legen die Kinder die Prüfung in Mathematik ab, im Januar Biologie und Geografie. Die Kleinen haben nur eine Gesamtprüfung im Mai.

 

Morgens vor dem Frühstück am Tisch singen wir immer:

 

Sun rose already!

 

Merry let’s stand up.

 

Let’s meet the shining new day!

 

Let’s great our Earth, the wind and the sun:

 

World full of colors and of wonders.

 

 

 

Mit den herzlichsten Grüßen und guten Gedanken

 

Maria und Josefus Zuchantke

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

3. Rundbrief

 

Das nächste Lebenszeichen der Freien LebensSchule Neujahr 2020

 

 

Wir suchen jetzt dringend Mitarbeiter. Das war unser großer Hilferuf am Ende unseres vorangegangenen Lebenszeichens im September. Unser Ruf ist erhört worden. Wir sind sehr glücklich, dass eine neue Mitarbeiterin dazugekommen ist, Gabriela Kozicka (Gabi) aus Warschau. Sie ist knapp fünfzig Jahre alt, studierte Fachfrau für Biologie und Chemie, arbeitet viel mit Kräutern, ist esoterisch offen und sehr aufmerksam im Sozialen. Sie hat einen warmen, konkreten und fröhlichen Umgang mit den Kindern und bringt gute Ideen ein, zum Beispiel diese: Am Ende einer Schulwoche sagt jeder, was er oder sie von jedem anderen gelernt hat. Dabei gab es überraschende und berührende Aussagen seitens der Kinder.

 

 

 

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Vor wenigen Tagen wurde im polnischen Kulturradio „Polska 2“ eine sehr gelungene Reportage über die Arbeit unserer Schule ausgestrahlt.

 

 

 

Der Titel der Reportage lautet: Frau Maria erfüllt Träume. (abrufbar unter:

 

https://www.polskieradio.pl/80/1007/Artykul/2425588,Frau-Maria-spelnia-marzenia-reportaz-Doroty-JaskiewiczLebek)

 

 

 

Ein paar Zitate von Kindern und uns Lehrern aus dieser Reportage gewähren einen recht guten Einblick in unsere Arbeit und unsere Intentionen und in das, was die Kinder für sich mit- und aufnehmen.

 

 

 

Ein Kind: Im Dunkeln geh‘n wir Sterne ansehen. Herr Josefus hat uns gezeigt, wie man den Polarstern findet.

 

Ein Kind über die Art, wie unterrichtet wird: Hier gibt es keine Zensuren. Wenn ein Kind etwas nicht kann, wird ihm die Sache ruhig erklärt, bis es sie verstanden hat.

 

Ein anderes Kind: Die Jüngeren haben Lektionen im Kochen.

 

Mehrere Kinder auf die Frage, wer hier bestimmt: Alle bestimmen hier. Wir berufen Parlamente ein, und jeder hat eine Stimme.

 

Ein Kind zeigt den Garten: Da ist ein Schuppen, an dessen Wänden hatten die

 

älteren Kinder Lektion der Alt-Steinzeit. Sie haben mit Erdfarben Tiere gemalt. Da ist noch ein Unterstand, da hält Josefus Bienen…

 

Mehrere Kinder auf die Frage, wie sie damit umgehen, dass sie von Deutschen

 

unterrichtet werden: Es stört uns nicht, wenn Josefus und Maria Sprachfehler machen. Maria spricht ganz gut Polnisch, und wenn sie Fehler macht, verbessern wir sie. Josefus lernt noch. Wir verstehen ihn, weil wir wissen, was er sagen will, worum es ihm geht. Es hat für uns keine Bedeutung, wenn wir einzelne Worte nicht verstehen.

 

 

 

Maria charakterisiert sich selbst: Ich bin eine Rebellin. Ich bin für Freiheit. Ich will, dass ein Kind sich in seinem Tempo entwickeln kann und dass es herausfindet, wozu es auf diese Erde gekommen ist.

 

Josefus über Aquarellmalen, Musik und Zeichnen: Kunst ist für uns nichts Zusätzliches, sondern Grundsätzliches. Es wird in der Prüfung nicht verlangt. Aber unser Hauptziel sind nicht die Prüfungen, sondern den Menschen zu gestalten.

 

Maria über die Art, wie Fächer unterrichtet werden: Jedes Kind macht zu einem ausgewählten Thema eine Präsentation. Wenn diese dann vor den anderen mehrmals lebendig dargestellt wird, lernen die anderen es auch. Auf diese Weise behalten sie die Inhalte mehrerer Kapitel wirklich. Wir versuchen, in Blöcken zu unterrichten. So kann man Themen vertiefen, und es bleibt etwas für das Leben hängen.

 

Maria: Die Pausen dauern eine halbe Stunde, wir gehen immer nach draußen. Es gibt Balancierbalken. Sie haben sich selbst einen Hindernislauf gebaut. Sie klettern auf die Bäume. Jetzt kommen gerade Papierflugzeuge auf. Befreit von Elektronik, beschäftigen die Kinder sich mit der Natur und miteinander, sind im Hier und Jetzt.

 

Maria über Sozialerziehung: Die Kinder unterschreiben einen Vertrag über das, was erlaubt ist und was sie nicht dürfen. Der Vertrag wurde vorher mit allen besprochen. Wenn jemand den Vertrag übertritt, versuchen wir herauszufinden, woran es gelegen hat. Wir bemühen uns, aus dem Schuld-Strafe-System herauszukommen. Wir berufen ein Parlament ein, und jeder kann sich aussprechen. In den Gesprächen können die Ursachen von Konflikten herauskommen.

 

 

 

Man hört unser Morgenlied, das wir immer draußen singen, als Begrüßung desTages: Mother I feel you under my feet. Mother I hear your heart beat…Man hört, wie sich alle zu Tisch setzen. Dann gibt es die Formel „Good beginning“. Es bedeutet, dass wir einen Moment ganz still sind und uns öffnen für das, was kommen soll. Diese Formel benutzen wir auch beim Singen oder Erzählen. Erst aus dieser Stille wird das Tischlied gesungen, ein altslawisches, auf Polnisch:

 

Gib Deinen Segen, Herr, aus dem hohen Himmel,

 

Hej! auf dass es auf der Erde nicht an Brot fehle.

 

Nicht an Brot, nicht an Erdäpfeln,

 

Hej! und auch nicht an Liebe zu unserer Mutter Erde.

 

Soviel aus dieser schönen Reportage!!

 

 

 

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Kurze Zeit nach den Interviews für diese Reportage kam es zu einer Katastrophe. Unser Volontär, der mit einigen der Kinder leider völlig überfordert war, übte körperliche Gewalt an einem Jungen. Danach gab es mehrere Parlamente, in denen wir alle weinten, jeder sich aussprach, sowie Gespräche mit den unmittelbar Betroffenen und den Eltern. Wir haben uns von unserem Volontär getrennt. Er hielt sich bis zum Ende des Kurses isoliert und hatte Angst, jemandem in die Augen zu sehen. Aber das Berührendste waren die Aussagen der Kinder, inklusive des betroffenen, seelisch so verletzten Jungen: Warum isst X nicht mehr mit uns? – und sie beschlossen, dass er wieder mitessen dürfe, und sie sagten, sie wollten ihm so viel Liebe wie nur möglich zeigen für den Rest der Tage.

 

 

 

 

Inzwischen, wenige Tage vor Weihnachten, haben die Älteren (6. bis 8. Klasse) ihre Matheprüfungen bestanden und damit das Lernkapitel Mathematik für dieses Schuljahr abgeschlossen. Dabei gab es Präsentationen zu folgenden Themen:

 

  1. Der Atem des Menschen und das Platonische Jahr – Mikrokosmos und Makrokosmos

  2. Platonische Körper – Dualität, Berechnungen, Beweise, Platons Elementenlehre

  3. Mathematik im täglichen Leben – u.a. Flächenberechnungen von Straßenschildern

  4. Verschiedenste Maße eines Fußballplatzes – kein goldener Schnitt!

  5. Alte Längenmaße und die Einführung des Meters

  6. Die Geschichte des Thermometers und die verschiedenen Skalierungen

 

 

 

Neben den Kurzpräsentationen gibt es dann immer noch eine schriftliche Prüfung. Am Ende waren die Kinder und wir zufrieden und glücklich über das Erreichte. Zur „Belohnung“ hatte uns Gabi Eierpfannkuchen und Piroggen zum Mittagessen gekocht.

 

 

 

Ende Januar kommt dann auch die Matheprüfung für die 5.- Klässler, sowie Biologie und Geografie für alle und noch zusätzlich Physik für die 7. und 8. Klasse. Auch dafür sind die Präsentationen bereits vorbereitet. Besonders beeindruckend war, dass einige der Kinder den freien Nachmittag nach den Mathe-Prüfungen dazu benutzten, sich freiwillig gegenseitig ihre Präsentationen in den anderen Fächern vorzutragen.

 

 

 

Weil Maria die schöne Tradition der Oberuferer Weihnachtsspiele hier so sehr vermisst, stampften wir mit vier Kurzproben ein stark verkürztes Christgeburtsspiel mit polnischen Weihnachtsliedern als Überraschungsgeschenk für unsere Schulkinder aus dem Boden. Mitspieler waren: Jozef, unser junger Helfer von den letztjährigen Ferienlagern, als Josef, unsere Tochter Lucia als Maria, unsere beiden erwachsenen Söhne, die extra aus Berlin zum Üben gekommen waren, zusammen mit Josefus als die drei Hirten, Gabi als inniger Engel und Maria als böser Wirt und als Klavierspielerin. Zwei Eltern verwandelten sich kurzerhand aus dem Publikum in den ersten und dritten Wirt. Andere Eltern halfen bei der Bühnengestaltung und der Beleuchtung. Unsere Schulkinder sangen zweistimmig sehr schön : Angels we have heard on high. Danach gab es Weihnachtsessen mit Mitgebrachtem von den Eltern. Wir waren eine große und fröhliche Gesellschaft an diesem 22.12., dem letzten Schultag im Kalenderjahr 2019.

 

 

 

 

Als innerhalb der Kinder bekannt wurde, dass sich einer von ihnen zu Weihnachten eine Gitarre wünscht, kam die spontane Idee auf, sich vor verschiedene Supermärkte zu stellen und gemeinsam Weihnachtslieder zu singen, die sie in unserem Musikunterricht gelernt hatten. Bei insgesamt drei solcher Aktionen sammelten die Kinder sage und schreibe 250 zloty. Sie kamen jedes Mal erfüllt, glücklich und begeistert nach Hause. Wir Erwachsenen waren bei diesen Aktionen natürlich nicht erwünscht.

 

 

 

 

Im November war ein sehr ruhiger, aber wacher Junge als potentieller Interessent für die siebte Klasse eine Woche zur Probe dabei. Anschließend schrieb er uns in einer Mail, dass er sich sehr bedankt für das Erleben einer so ganz anderen Art des Unterrichts. Er schrieb noch, dass er das erste Mal in seinem Leben mehr Unterricht haben wollte.

 

 

 

Die Mutter einer 6. Klässlerin, die jedes Mal eine Anreise von fast 8 Stunden mit dem Bus auf sich nimmt, wenn sie zur Schulwoche kommt, schrieb uns voller Dank, dass sie ihre Tochter beneidet. Wie sehr hätte ich mir in meiner Schulzeit gewünscht, einmal so gerne zur Schule gehen zu wollen wie meine Tochter. Sie wartet darauf, wann sie endlich wieder zu Euch fahren kann.

 

 

 

Natürlich wissen wir, dass es einfacher ist, innerhalb einer Woche eine hohe Energie aufrecht zu erhalten, als wenn man es Tag für Tag tun muss. So gesehen hat unser Hoomeschooling Profil auch auf dieser Ebene einen großen Vorteil. Allerdings stellt sich für einige Eltern die schwierige Frage nach den Zwischenzeiten zu Hause. Nicht immer lässt es sich einrichten, dass jemand da ist für das Kind. Unser Ziel, an dem wir beständig arbeiten, ist natürlich, dass die Kinder allmählich zu einem eigenständigen Arbeiten kommen. Bei einigen gelingen die häuslichen Vorarbeiten für die jeweilige Präsentation schon ganz gut, bei anderen überhaupt noch nicht. Aber unser Profil hat mit der Nähe und Wärme einer Quasi-Familienatmosphäre ein unschätzbares, zusätzliches Plus. Wir glauben, gerade das macht das Arbeiten so intensiv und wertvoll, obwohl es eigentlich locker zugeht bei uns. Auch die Eltern, für die die Zwischenzeiten nicht einfach sind, spüren genau dies bei ihren Kindern.

 

 

 

Was die Zukunft bringt, wird man sehen. Wir sind sehr gespannt und immer wieder dankbar, dass wir so viel von den Kindern lernen dürfen!

 

 

 

 

Im Februar, während der offiziellen zweiwöchigen Winterferien, bieten wir eineTheater-Ferien-Wochenfreizeit an. Dafür haben sich vor allem Kinder angemeldet, die nicht in unsere LebensSchule gehen, unsere Arbeit aber schon von den Winter- und Sommerfreizeiten kennen. Wir werden den Kleinen Prinzen erarbeiten, und als Erzählgeschichte am Abend gibt es „Die unendliche Geschichte“.

 

 

 

 

Bis zum Beginn unseres nächsten Schulturnus am 19. Januar steht uns noch eine größere Instandhaltungsmaßnahme ins Haus. Die Gaszuleitungen zum Brenner müssen ausgetauscht werden, weil sie schon zu alt sind. Da wird es dann ein paar Tage kalt sein müssen im Haus. Zudem muss dringend noch ein Zimmer auf dem Dachboden zu Ende ausgebaut werden (Isolierung, Wände einziehen, Heizung verlegen), so dass wir mehr Zimmer zur Verfügung haben. Diese letzteren Arbeiten wird wohl Josefus selbst übernehmen, dessen handwerkliche Fertigkeiten im Laufe des Hausausbaus beständig gewachsen sind. Und weiterhin ist natürlich der Kauf des Hauses durch unsere Stiftung ein großes Ziel, das in 2020 intensiv bearbeitet werden soll.

 

 

 

 

Allen, die unsere Arbeit durch ihre geistige Unterstützung und/odermaterielle Hilfen und Spenden begleiten,

 

sei an dieser Stelle von ganzem Herzen gedankt!

 

 

 

 

 

Für die Freie LebensSchule

 

 

Maria Zuchantke, Josefus Zuchantke, Gabriela Kozicka

 

 

 

 

Spendenkonto in der Schweiz: Stiftung Freie Gemeinschaftsbank/ Meret Oppenheim-Straße 10 / 4053 Basel

IBAN: CH26 0839 2000 0282 2031 5 / Zahlungszweck: Projektfonds GOLDTAU

 

 

 

 

 

 

 

4. Rundbrief

 

Freie LebensSchule Bolkow                                                                             Mai 2020

 

 

Was machen wir hier in unserer Kleinstadt in Polen, was macht unsere Freie LebensSchule in dieser besonderen Zeit?

 

Wir mussten natürlich unsere Schul-Turnusse absagen. Mit den Schülern, die es brauchen und wollen, sind wir über das Internet im Kontakt, bereiten uns auf die Prüfungen vor, die alle über Internet laufen werden. Die meisten Lehrer haben die Prüfungsanforderungen vereinfacht! Viel wird jetzt zu Hause selbst oder mit den Eltern gemacht.

 

 

Aber das Wichtigste fehlt: der gemeinsame Prozess. Wenigstens erzähle ich jetzt von Montag bis Freitag jeden Abend zwei fortlaufende Geschichten. Die Jüngeren sind mit Odysseus unterwegs. Der Umgang mit den Stürmen der Wünsche, Leidenschaften, Ablenkungen, Emotionen! Beherrschung durch die Gedankenkraft, auf dem Weg zum Ich muss man durch die Einsamkeit…. Die Älteren sind gerade im Elisabethanischen Zeitalter. Auch das Theater für die Englisch-Prüfung spielt in dieser Zeit (im Anhang). Viel original-Geschichtliches, aber dann habe ich auch „Der Prinz und der Bettler” von Mark Twain erzählt. Die Geschichte ist zwar erfunden, beschreibt jedoch sehr genau die Verhältnisse im einfachen Volk. Eine Szene war makaber-lustig: Tom, der durch die Verwechslung auf dem Prinzenthron sitzt, holt eine zum Tode verurteilte Frau mit ihrer kleinen Tochter herein und fragt nach der Ursache. Sie habe sich dem Bösen versprochen und einen Sturm verursacht, der das ganze Dorf verwüstet hat. Wie hat sie das denn gemacht? – Indem sie sich die Strümpfe auszog. – Alle lachen über die Absurdität, aber dann sagte ich: Ja, das ist absurd, aber wir sind gar nicht viel weiter. Wenn du heute deine Maske ausziehst, verursachst du eine Pandemie!

 

 

Trotz Vorschriften haben wir gerade unseren Siebtklässler für eine Woche hier, um ihm individuell zu helfen. Unsere Tochter Lucia hat ihre beste Freundin da. Und aus der jüngeren Gruppe kommen die zwei adoptierten Geschwister alle paar Tage zu Einzel-Lektionen. In unserer direkten Nachbarschaft sind die Leute zwar vorsichtig, aber milde. Jedoch die ganze Truppe einzuladen, trauen wir uns nicht. Deshalb haben wir uns mit der jüngeren Gruppe, deren Mitglieder näher im Umfeld wohnen als die der älteren, schon zweimal bei Eltern getroffen, bei denen es weniger Nachbarn gibt, für einen ganzen Tag.

 

   

 

Wir wollten eigentlich ein bisschen Unterricht machen, auch was mit Kräutern, und Theater proben (auch auf Englisch, im Anhang), etwas ist auch gelungen, aber sie wollten eigentlich nur miteinander spielen. Und sie haben so glücklich gespielt!  

 

    

 

Das Theater der Älteren werden wir über Zoom machen, aber das der Jüngeren nehmen wir als kleinen Film auf. Bei den dritten Eltern ohne Nachbarn.

 

 

Alle haben große Sehnsucht nacheinander. Unsere Lucia will, dass wieder Schule ist, denn da passiert das, wofür sie überhaupt die normale Schule gewählt hat in diesem Jahr: Begegnung mit Gleichaltrigen. Die normalen Schulkinder erleben jetzt nämlich sehr deutlich, dass das, warum sie die Schule ertragen, eben nicht stattfindet, und dass die eigentliche Schule, also das Bücherlernen, so absurd und überflüssig ist! Sogar in Sport kriegen sie Hausaufgaben! Wie viel Meter hat ein Volleyballplatz?

 

 

Aber eben das ist GUT an dieser Zeit: wir erleben eine Umstülpung des Lebens. Viele denken nach über das, was sie bisher gemacht haben, und wollen es ändern, weil sie sehen, dass es auch anders geht! Viele Berufstätige gehen zum ersten Mal seit Jahren mit ihren Kindern spazieren! Die Absurdität von so Vielem wird jetzt so überdeutlich. Das ist gut! Und es geschehen Wunder. Die Erholung der Natur. Der viel öfter Chemtrail-freie Himmel. Die reduzierte Autofahrerei. Die Menschen, die mit ihren planmäßigen normalen Krankheiten nicht ins Krankenhaus kommen und dadurch leben bleiben. Die Beerdigungs-institute haben einen Rückgang von 40 Prozent!!!!!

 

 

Ja, wir haben Sorgen wegen G5 und der All-Manipulation. Im Internet war ein Foto mit einem riesigen Schulhaus (hässlicher Neubaublock) mit Antenne darauf, und dazu die Frage: und da sollen meine Kinder hingehen? – Naja, sollen sie eben nicht, deswegen ist ja die Antenne drauf! Mephisto sagt es so deutlich: „Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft.“

 

 

Als der letzte Turnus vor der Sperrung zu Ende war, die Kinder waren abgereist, habe ich beim Aufräumen einen Spruch mit Zeichnung gefunden, den der  elfjährige Ziemowit (wunderbar königlicher slawischer Name) extra für uns als Botschaft hinterlassen hatte. Die polnische Version von „Froh zu sein bedarf es wenig.”  Der Text geht so: „Sei frohgemut. Es bedarf wenig. Und der Fröhliche erlangt den Himmel.“ – Dazu schrieb er: „Energie der Fröhlichkeit von Ziomek“. Es hängt jetzt in der Schulküche, wir sehen es jeden Tag, und es hilft uns, wenn uns andere Stimmungen überkommen.

 

 

 

Gabi, unsere Dritte im pädagogischen Bunde, blieb nach dem letzten Turnus noch drei Wochen hier. Jeden Tag ging sie in den Garten und kam mit einer vollen Wildkräuterschüssel zurück, die wir als Salat gegessen haben. „Maria”, sagte sie voller leuchtender Dankbarkeit, „euer Garten ist ein einziges Heilkräuterbeet!”

 

 

Sie ist jetzt in ihrem Haus, um Dinge zu regeln. Außerdem kommt eine Sechstklässlerin der älteren Gruppe für eine Woche zu ihr. Gabi will dauerhaft in unsere Nähe umsiedeln, um das Projekt aktiv mit aufzubauen. Sie wirkt so belebend, fröhlich und heilend!

 

 

Josefus ist un-un-unermüdlich! Er renoviert, es ist sagenhaft. Aktuell ergreift er den Anbau. Schon ist sein „alchemistisches Magazin“ mit allen Kräuter-Ansätzen und Materialien fertig, jetzt kommt der Arbeitsraum und die neue Speisekammer und – ja, mein  Refugium! Vorher hat er das dritte Gästebad im Parterre sowie ein neues Zimmer mit Vorraum für unsere Lucia auf dem Dachboden gemacht. Wände ziehen, Hydraulik, Elektrik - so arbeitet ein echter Pole, er kann einfach alles! Natürlich hat er auch die Lichtwurzelkisten repariert, teilweise neu gebaut, umgebaut und bepflanzt.

 

Der Bauernmarkt, auf dem wir Josefusens gute Sachen verkaufen, hat wieder offen! Man zieht halt Handschuhe an, und ansonsten sind die Menschen glücklich, dass sie wieder gutes Gemüse und Brot kaufen können. Josefus hat jetzt auch drei neue Heilmittel entwickelt: Salbe bei Krampfadern, Sport-Öl und homöopathische Husten-Kügelchen. Wir waren nämlich im Februar und März ganz schön hustig-krank, aber die genialen Kügelchen haben damit schnell aufgeräumt!

 

 

Wir geben noch ein paar Stunden Deutschunterricht über Internet. Mein Chor ruht. Gemeinsames Singen am Internet geht nicht! Bei dieser Gelegenheit habe ich begriffen, welch unglaubliches Wunder der gemeinsame Gesang ist! Übereinstimmung von Schwingungen in Hundertstel-Sekunden, ein Atem, ein Strom!

 

Vorgestern hat es schön geregnet. Die Landschaft ist herrlich, ein einziges Blühen und Gedeihen. Ja, und saftiges Grün!

 

 

Gabi will übernächste Woche wiederkommen. Dann wollen wir zu dritt am Schulkonzept arbeiten. Denn auch wir denken nach, was wir unbedingt ändern wollen, wenn wir den Kindern Hilfe geben wollen in einer Welt, in der in jedem Moment alles anders sein kann. Eins ist klar: das Schul-Lernen wird noch mehr reduziert! Mehr Lebens-Praktisches und mehr Gemeinschaftsschulung. Sinnesschulung. Gesprächsschulung. Hinhören. Wahrnehmen. Tätigsein. Denn diese Kinder sind ja gekommen, um die Welt zu retten! Jeder ein kleines Stück!

 

Gabi schaut mich an, und sie sagt: Bruder. Das Licht ist immer stärker.

 

In diesem Sinne!

 

Josefus, Maria, Gabi und die Kinder.

 

 

 

 

 

5. Rundbrief

 

Freie LebensSchule Bolkow

 

September 2020

 

 

 

Liebe Freunde!

 

Der Sommer war lang, herrlich und anstrengend!

 

Er begann mit den Schulabschluss-Fahrten. Im Mai wurden alle Prüfungen gut bestanden, so gut, dass wir beschlossen haben, die Zensuren abzuschaffen, damit die Kinder nicht angeberisch werden. Im Juni sind wir dann jeweils fünf Tage mit den beiden Gruppen im Riesengebirge gewesen. Eine Schulmutter betreibt die Baude Samotnia, deshalb hatten wir dort Rabatt. Da dort sogar ein Klavier steht, gab es immer jemanden, der sich zwischendurch dransetzte, und abends sangen wir natürlich unsere halbe Stunde. - Was ist das denn für eine Schule? - fragten die Gäste, und filmten uns. Zwei fremde Kinder setzten sich dazu, sangen mit, ein Junge überredete seinen Vater, länger zu bleiben, und wanderte mit uns zwei Tage lang. Hier wurde die Idee eines T-Shirts mit Logo und Schrift für die Freie LebensSchule geboren. Unser Sebastian, zwölf Jahre alt, zeichnete einen Entwurf.

 

              

 

Dann kam der große Sommer mit vier Ferienlagern. An dreien nahmen jeweils fünfzehn Kinder teil - mehr geht bei uns nicht. Allerdings gaben in jedem Lager einige auf! Zu anstrengend, zu sehr stadtgewohnt, kein Handy, andere Termine… aber alle wurden heil am Ende wieder abgeliefert. Was war auf unserem Programm? Übernachten auf einer Waldwiese ohne Zelt. Wandern im Flussbett. In eine dunkle Höhle gehen. Nachtwanderung mit Weg finden nach Karte. Seinen persönlichen Wanderstock schnitzen. An einem Seil mit zugebundenen Augen eine Strecke im Wald ertasten. Singen, Lagerfeuer, Hören und Sehen üben, Geschichte erzählen. Eine Woche außerhalb der geschäftigen Welt. Und  jedes Mal der Bunte Abend mit Liedern, Gedichten, Improvisationen… Das  Erstaunliche ist, dass all die Abenteuer direkt in der Umgebung von Bolkow liegen und zu Fuß erreichbar sind.

 

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Das vierte Lager war ein besonderes. Hier luden wir Kinder-Jugendliche ein, die wir schon gut kannten, um eine Art Vorbereitung auf den Übergang zum Erwachsenensein erlebbar zu machen. Das Lager hieß: An der Schwelle. Dazu gehörte, einige Tage in der Natur zu sein, sich einen Baum zu suchen, unter ihm einen Abend zu verbringen oder zu schlafen, soziale Übungen zu machen, zu schweigen, zu beobachten, Stille zu ertragen.

 

Ein großartiges Gewitter erlebten wir, echte Erschöpfung auf der Wanderung, viele Tiere und Naturstimmungen. Schöne Spiele und wirklich gute Gespräche. Wir kamen zwar einen Tag früher wieder nach Hause, aber das gab uns die Gelegenheit zu einem langen und guten Gesprächstag -  mit buntem Abend!                     

 

 

 

  Ein  wichtiges Gesprächsthema war Mann und Frau - und hier berührten wir auch Fragen von Reinkarnation, mögliche geistige Hintergründe von Homosexualität, charakterisierten diese zwei so fremden Planeten Mars und Venus, es gab viel befreiendes Lachen und lösende Aha-Momente.

 

 

Nun hat das neue Schuljahr begonnen, und wir haben 22 fest angemeldete Schülerinnen und Schüler von der zweiten bis zur achten Klasse sowie zwei Nachmittags-Gastschüler und zwei Erstklässler, mit denen wir noch nicht so richtig wissen, was wir machen sollen.

 

Jetzt im September veranstalten wir:

 

einen Eltern-Workshop zum Vertiefen von Aspekten der Geschwisterfolge, der Temperamente (ein Kind, das ausrastet, hat nicht unbedingt eine psychische Krankheit, sondern ist einfach nur cholerisch), sowie zu den Fragen: Was ist Vertrauen? Was ist Liebe zum Kind, wie drückt sie sich aus? Was ist eigentlich ein Kind?

 

Und einen Campus über fünf Tage mit allen Schülerinnen und Schülern. Die gleiche Schulmutter betreibt auch noch einen Campingplatz mit Ferienhäusern, da ist eine ideale Infrastruktur und Atmosphäre für uns. Großes Thema: Griechenland- die Wiege Europas. Natürlich zu früh für die Kleinen und zu spät für die Großen, aber Sandalenschnüre flechten und Theater spielen und tanzen und Weitspringen werden sie alle gern!

 

Immerhin werden wir dort auch die Themen für die mündlichen Prüfungen der Fächer Mathe, Biologie, Geografie in den Klassen 5 bis 8 sowie Chemie 7-8 festlegen.

 

Erst im Oktober beginnen dann zwei Turnusse monatlich, die jüngere Gruppe von der zweiten bis zur fünften Klasse und die ältere von der sechsten bis zur achten.

 

Zur Zeit bekommen alle Schulkinder täglich eine Mail von uns mit einer Tagesaufgabe, zum Beispiel: Geh mindestens eine halbe Stunde spazieren. Finde etwas Schönes und zeichne oder schriebe es auf. Oder: finde drei verschiedene Blumen und zähle ihre Blütenblätter. Oder: Geh an eine Stelle, die Du hässlich findest, und finde dort etwas Schönes.

 

 

Unser Kollegium hat sich erweitert! Im November kam Gabi zu uns. Sie baut jetzt auf eigene Kosten den Anbau unseres Hauses aus, um darin zu wohnen (bis jetzt wohnt sie in einem Zimmer bei uns). Und dann kam Ilka. Sie war bei den Ferienlagern mit, hat wunderbar gekocht und mit ihrer Liebe und Ruhe, ihrer Aufmerksamkeit und Hingabe alle und alles erfüllt. Sie ist sehr gut in Mathematik und Handarbeit. Wir haben beschlossen, in diesem Schuljahr umgehend zu kochen. Jeder von uns Erwachsenen ist mal dran! Und jeder ist auch Lehrer!

 

 

Das Projekt wird finanziell komplett von den Eltern getragen. Der Schulbeitrag in diesem Jahr sind ca. 170 Euro pro Monat. Das bedeutet, dass alles auf Mini-Budget beruht, Lohn, Einrichtung, Ausrüstung. Das macht aber nichts. Wesentlich ist das Leben miteinander!

 

 

In unserem Hausflur haben wir ein großes schönes Glasgefäß aufgestellt. Dort sammeln wir kleine Beträge, zahlen selbst ein, zum Beispiel nach dem Wochenmarkt, auf dem unsere Salben, Tees und Salze und die Lichtwurzel verkauft werden. Wozu dient das? Das Ziel unserer Stiftung ist es, spätestens am 1. März 2021 das Haus zu kaufen! Auf dem Fonds der Stiftung Freie Gemeinschaftsbank Basel sind 14.550 Schweizer Franken! Vielen, vielen, vielen Dank für das Vertrauen dieser Menschen!!!

 

 

Wir suchen allerdings weiterhin Menschen, die zu einem großen Darlehen bereit wären. Die Stiftung kann monatlich 500 Euro problemlos als Rückzahlungsrate aufbringen. Die Gesamtsumme ist ca. 70.000 Euro…

 

 

Liebe Menschen! Es ist wunderbar zu wissen, dass es Euch gibt, und es macht Freude zu schreiben, in dem Gefühl, dass Ihr da seid und uns mittragt, geistig und seelisch! Und physisch, wer kann

 

In großer Verbundenheit und Dankbarkeit

 

Maria und Josefus Zuchantke mit Gabi und Ilka

 

 

 

Rundbrief Nr. 6

 

Freie LebensSchule Bolkow     

 

                                                       11. Januar 2021

 

Liebe Menschen!

 

Gestern Abend sind die Teilnehmer der Theaterwoche nach Hause gefahren, und ich habe wie in meiner Kindheit, wenn die Ferien im Heim der Christengemeinschaft, im Haus auf dem Berge, zu Ende waren, wirklich geweint, dass es schon vorbei war.

 

Während ich jetzt die Kulissen aufräume, strahlt eine machtvolle Wintersonne vom klarblauen Himmel.

 

Wunder reiht sich an Wunder. Einen Tag, bevor die zwölf Theaterkinder kamen, begann es tatsächlich zu schneien. So konnten sie jeden Tag auf den Hügel hinter den Häusern! Die Gruppe, alles Nicht-Teilnehmer unserer Schule, aber zum größten Teil „unsere“ Ferienkinder, im Alter von sechs bis siebzehn (!), war so friedvoll, fröhlich und sozial! Es war diesmal ein wirklicher Workshop ohne vorher festgelegtes Theaterstück. Zwar haben wir am dritten Tag doch gemeinsam beschlossen, ein altes, nie aufgeführtes Szenario von mir zu nehmen, aber es gab nur die grobe Anordnung der Szenen, die Rollen und den allgemeinen Verlauf. Keine ausgeschriebenen Texte. So waren die Proben mal dramatisch, mal übertrieben lustig, mal ergreifend, und die Aufführung eine echte Werkstatt! Es ging um einen Jungen, der von klein auf anders ist, aus der Rolle fällt, Maler werden will, aber Bauarbeiter werden muss, einen Unfall hat, klinisch tot ist, seinem Engel begegnet, daran erinnert wird, wozu er auf die Welt gekommen ist, dann zurückkehrt, ein medizinisches Wunder bewirkt, indem er aus dem Bett aufsteht und geht- und dann Maler wird. Er holt dann die Frau, die ihn überfahren hat, aus dem Gefängnis und bedankt sich bei ihr für die Wendung in seinem Leben, und den Obdachlosen, bei denen er in der Unfallnacht gesessen hat,  gibt er Wohnung und Arbeit.

     Meine größte Lektion war zu bemerken, wie stark Worte wirken. Wir haben so eine große Verantwortung bei jedem Wort, das wir sagen!

 

 

In sechs Tagen kommen die Schulkinder der jüngeren Gruppe. Es sind sechzehn geworden, elf davon schlafen hier, die anderen, Erst- und Zweitklässler aus der Umgebung, fahren abends nach Hause. Direkt danach kommen die Älteren, es sind inzwischen dreizehn!

 

Wir haben trotz allem Irrsinn in der Außenwelt seit dem Sommer ganz normal gearbeitet, und das ist das nächste Wunder!

 

 

Das Griechen-Camp im September war großartig. Josefus arbeitete intensiv an den olympischen Ur-Sportarten, inspiriert durch das Buch „BauLeib Kunst“ von  Eduardo Jenaro & Jose Martinez.  Die Kinder nahmen die Übungen ganz ernst, und wir konnten wirklich eindrucksvolle Bewegungen sehen, in denen es nicht um Rekorde ging, zum Beispiel dreifachen Weitsprung aus der Hocke oder Speerwurf aus dem Stand.

 

 

Die Aufführung am Fuße des Olymp - wir hatten den direkten Blick auf die Schneekoppe, den höchsten Berg des Riesengebirges - war ein grandioses Ereignis, mit Sprache, Theater, Tanz und Sport. Das Unfassbarste war das Wetter: die ersten Tage wunderschön, dann ein beeindruckender Sturm, und für den letzten Tag war Dauerregen vom Morgen an angesagt. Es ist wirklich wahr: Einen Kilometer von uns stand eine dicke, weiße Regenwand, es regnete keinen Tropfen, und eine halbe Stunde nach dem Ende der Aufführung, also am späten Nachmittag, regnete es in Strömen…

 

 

Die Schul-Arbeit ist, wie sie ist: Anstrengend und schön. Josefus versucht, so viel Wesentliches wie möglich in den Fächern einzubringen, er forscht und entwickelt die Themen für die Präsentationen. Es geht ums Bild, um das, was hinter den Erscheinungen steht. Was drückt sich in einem Flussnetz aus? Was sagen uns die Sterne? Was ist denn das Verdauungssystem wirklich? Was drückt sich im Bild der Lunge aus? Welche Wunder finden im Kreislauf statt? Wie ist die Geschichte des Streichholzes? Wie funktioniert eine Dampfmaschine? - Die Kinder sind nicht so selbstständig, wie wir es uns wünschen… aber alles entwickelt sich! Es hat ja niemand behauptet, dass es immer leicht und fröhlich sein muss!

 

Aber im Aquarellmalen, das täglich stattfindet, hat Josefus es durch seine Konsequenz dahin gebracht, dass die Kinder tatsächlich nach der Harmonie auf dem Bild suchen. Fast alle lieben das Malen sehr, und manche Bilder sind wirklich beeindruckend.                            

 

 

Auch das tägliche Singen trägt, und die Inhalte der Lieder:

 

Weitab des dunklen Winters  kommen wir zusammen, tauchen in den Brunnen, zu dem all unsere Flüsse fließen, und begegnen uns. Und wenn wir dann wieder in die Welt gehen, lassen wir unser Licht scheinen. Das ist ein Lied des wundervollen irischen Songwriters Luka Bloom, und ich habe den Text des Refrains ein bisschen verändert. Vertraue und geh weiter mit dem Licht, das in dir scheint.

 

 

Das nächste Wunder: In ganz Polen gibt es vielleicht drei oder vier Heileurythmisten, und niemals hätten wir gedacht, dass wir so einen geschenkt bekommen. Aber da ist er!! Jacek Cienciala, spricht perfekt Deutsch, hat jahrzehntelange Erfahrung, bringt sich aufmerksam und liebevoll ein. Zur Zeit kommt er nur einmal im Monat, zur älteren Gruppe, aber wir werden sehen, wie sich das entwickelt.

 

Und kurz vor Weihnachten bekamen wir Bernadetta Borodziuk geschenkt, eine großartige Waldorf-Kindergärtnerin und Musiklehrerin mit einer großen Gabe, dem Wesen von Menschen nachzulauschen. Auch hier ist die Perspektive offen. Zu allem Überfluss kennen sich die beiden, kamen aber unabhängig voneinander hierher!

 

               

 

Sie haben uns auf etwas Wesentliches aufmerksam gemacht: Wie gut es ist, dass alle hier im Haus schlafen und gemeinsam essen. Ihr seid gar keine Schule, sagten sie. Ihr seid ein Haus mit schulischen Elementen, und das ist es, zusammen mit der inneren Übereinstimmung und Eurer Authentizität, was bewirkt, dass man sich hier so wohlfühlt. Viele unserer Kinder nennen diesen Ort ihr zweites Zuhause…

 

Ein bisschen kommt es mir so vor wie das Änderhaus der Dame Aiuola in der Unendlichen Geschichte von Michael Ende. Es ist von innen größer. Und es buchtet sich aus! Gabi hat mit eigenem Kapital und durch einen genialen befreundeten Baufachmann den Dachstuhl des Anbaus in eine kleine feine Einliegerwohnung für sich verwandelt, mit Balkon und Treppe. Sie zieht ganz hierher! Und die nächsten Ausbuchtungen kommen bestimmt! Terrasse als Schulraum zum Garten hin, Dachausbau und so weiter…  Aber erstmal will das Haus gekauft werden. Es gibt mehrere Ideen, wie es bis März 2021 tatsächlich zu schaffen sein wird. Inzwischen sind schon, durch viele verschiedene Quellen, 100.000 Zloty zusammengekommen! Das sind 25.000 Euro, also ein Drittel. Auch das ist das nächste Wunder. So viel Vertrauen. So viel Liebe. So viele gute Gedanken und Schutzengel.

 

      Dankbarkeit und immer wieder Staunen - so gehen wir in jeden neuen Tag.

 

 

Während ich also Wäsche wasche und mich darüber freue, wie egal es ist, dass auf dem Fußboden noch der alte, löchrige Lack ist und die Wände Flecken haben, und während ich mich daran erinnere, wie inniglich wir uns gestern zum Abschied umarmt haben, wird mir immer klarer, dass unsere Aufgabe gar nicht ist, Kindern irgend etwas Schulisches beizubringen. Das ist nur ein Vorwand.

 

Wir sind dazu da, alle die Menschen-Lichtwesen, die zu uns kommen, behutsam und voller Liebe und Wärme in die Arme zu schließen. Und wenn sie wieder gehen, ihnen, mit den Worten der Zauberfrau aus der irischen Legende, sieben Wellen Glück zu wünschen.

 

 

In der Corona-Zeit haben viele Menschen sich darauf besonnen, was wirklich wichtig und wesentlich ist. Wir auch. Wir reduzieren das rein Schulische immer mehr. Wir haben keine Zeit zu verschwenden mit Wissensmüll. Wir brauchen jetzt und hier friedvolle, fühlende Lichtkämpfer. Dafür nützen wir jede Lücke im System. Und wir streuen Samen aus. Schon rufen uns die ersten Menschen aus ganz Polen an, die ähnliche Orte schaffen wollen. Mögen überall Licht-Inseln, Kinder-Gärten entstehen!

 

In genau diesem Sinne denken wir in Liebe an Euch alle!

 

Maria und Josefus Zuchantke

 

Erlebniswoche/ Tydzień BYĆ I CZUĆ